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Topografie politischer Dummheit

 

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​​​Dummheit trägt keine politische Farbe. Erst im Verlauf der Jahre wurde mir diese Tatsache bewusst, während ich noch immer dachte, die Wahrheit irgendwann erkennen zu können. Doch die Erfahrung lehrt einen, dass die einfachen Antworten in der Regel die dümmsten, die Vorstellung von systemischer Machtlosigkeit eine Illusion und die Frage nach dem Schuldigen einen ins analytische Niemandsland hinaus führt. Aber was ist Dummheit eigentlich? Ich würde sagen, es ist die Unfähigkeit, über den eigenen Horizont zu blicken und die Vorstellung, dass alles in klare Kategorien einteilbar ist, die nichts miteinander zu tun haben. Das geht dann üblicherweise einher mit kompletter Überforderung, wenn etwas nicht in die gewohnten Denkmuster passt.

 

Auf politischer Ebene kann man Dummheit vorallem ganz links und ganz rechts ausmachen.

Rechtes Gedankengut ist im extremen Fall völkisch. Das meint die Vorstellung, dass es ein reines Volk gäbe, welches vor fremdem Einfluss geschützt werden müsse. Seit jeher werden unterschiedliche Kulturen miteinander verglichen und bewertet. In den Zeiten des aufkommenden Sozialdarwinismus gab es tatsächlich noch die Vorstellung von biologischen Menschenrassen. Der ganz einfache Grund war, dass man nach der Französischen Revolution die allgemeinen Menschenrechte verkündet hatte und nun einen Grund brauchte um sagen zu können, dass die nicht weißen Sklaven auf den Plantagen keine richtigen Menschen sind. Im Nationalsozialismus wurde der Gedanke in grenzenlos pervertierte Handlung umgesetzt. Heute ist das alles deutlich geringer geworden. Dummrechts bezieht sich heutzutage vor allem auf den Schutz der eigenen Kultur vor fremdem Einwanderern. Deswegen ist man davon überzeugt, die Existenz des eigenen Volkes sei durch Zuwanderung von außen bedroht. Als Rechter ist man in der Regel selber kaum mit Ausländern in Kontakt, bildet sich aber ein, alles über sie und ihre Absichten zu kennen. Man hat Schreckensszenarien im Kopf, wie sie in ferner Zukunft die einheimische Bevölkerung überwältigen und eine neue Gesellschaftsordnung einführen wollen. Wenn man dem dummrechten Pfad durch Verschwörungstheorien ins tiefste Rabbithole folgt, kommt man sogar zum Schluss, dass die politische Elite dies alles auch noch steuert, um mit der sogenannten Umvolkung ein neues Volk zu erschaffen, das sie leichter beherrschen können. Zugleich regt man sich grenzenlos über progressive Bewegungen auf. LGBTQ, moderner Feminismus, Debatten über Kulturelle Aneignung und so weiter sind enorme Reizthemen. Man fühlt sich durch all das derart angegriffen, dass man es zum Hauptpolitikum macht. In Deutschland sind es die AfD und die CDU, die am meisten übers Gendern sprechen, weit vor den Grünen oder den Linken. Meine Auffassung ist, dass das, was diesen leidenschaftlichen Kampf gegen Woke vor allem antreibt, tief sitzende Homophobie ist. Das hat biologische sowie auch kulturelle Gründe. Doch es ist letztendlich vor allem diesem Gefühl geschuldet, warum wir immer noch lachen über tuntugie Männer und warum wir eine verachtende Wut verspüren gegen nervig kreischende Frauen, die leidenschaftlich das Patriarchat verdonnern. Homophobie und Misogynie sind auch in ihrer blassesten Form noch wichtige Antriebe in vielen modernen Männern.

 

Die größte Dummheit auf rechter Seite liegt aber meiner Meinung nach in den Ansichten über den Klimawandel, beziehungsweise dessen völliger Infragestellung. Man sieht überhaupt keinen Grund dazu, denunziert Klimaaktivisten als versiffte Gutmenschen und fühlt sich persönlich angegriffen, wenn man hört, dass Autofahren schlecht für die Umwelt ist.

Man will die Heimat schützen vor den fremden Horden und den kriminellen Ausländern, aber ist völlig gleichgültig der Umwelt im eigenen Land gegenüber, selbst der schönen Schweizer Natur, wie die SVP immer wieder beweist. Bei Abstimmungen befürwortet man jede Autobahnerweiterung und jeden Verschleiß von Grünfläche, lehnt hingegen sauberes Trinkwasser und Schutz der Biodiversität ab. Das Gewohnte bestimmt das Befinden. Was man nicht sieht, das glaubt man nicht. Für abstraktere Vorstellungen ist das Hirn oft nicht in der Lage. Rechte sind seltener verspielt, träumerisch und neugierig. Man schätzt die Bestimmung und die Konvention. Man will in der Regel mit nichts behelligt werden und ist in seinem Grundwesen denkfaul. In der Schweiz ist die SVP die faulste Partei. Ihr Hauptzweck besteht darin, gegen alles zu sein, was die anderen machen wollen. Man glaubt an das, was man sich wünscht. Man liebt, was man kennt. Der Horizont reicht meistens nicht über den Stammtischrand hinaus. Dennoch ist der Grundantrieb die Liebe, so unausgereift die Vorstellungswelt auch sein mag. Es ist die Liebe zur Heimat. Heimatgefühle und der Glaube sind stets der sichere Hafen und der Grundstein für ein gutes behütetes Leben.

 

Ganz anders ist das bei den Dummlinken. Das Wort Heimat ist hier grundsätzlich negativ konnotiert. Heimat ist Nation, Nation sind die Rechten, die Rechten sind Nazis, Nazis sind böse und böse sind die anderen. Als Dummlinker hat man in der Regel den Kopf gefüllt mit radikalen Vorstellungen von den Guten und den Bösen, die man auf Anhieb identifiziert. Man glaubt, verstanden zu haben, wie die ganze Welt funktioniert. Die Helden und die Schurken in dieser Geschichte sind klar ausgemacht. Klassisch ist natürlich die Wut auf den Kapitalismus, den man als allumfassendes System begreift, das die Welt steuert. Sowieso argumentiert man am liebsten mit Systemen und fordert deren Abschaffung. Ebenso ist man überzeugt, dass diese Systeme gesteuert werden von den Bösen, wahlweise von den Reichen, den Kapitalisten oder einfach von den Alten Weißen Männern.

 

Die politischen Forderungen beschränken sich dabei meistens auf soziologisch klingende Parolen, denen wenig handfeste Gedankengänge folgen. Wenn beispielsweise eine Femisnistin fordert „wir müssen den Männern ihre Privilegien nehmen“, klingt das gut und alle klatschen, aber was damit im konkreten gemeint sein und welcher reale nächste Schritt ergriffen werden soll, da stößt der Einfallsreichtum an seine Grenzen. Dabei wirft man mit superlativen Kampfbegriffen um sich, von denen man oft selbst nicht die Hälfte versteht. Wortkeulen wie Nazi, Rassismus, Fascho, Hass und Hetze, Sexismus sind mittlerweile nur noch sinnentlehrte Schimpfwörter aus den Mündern von Linken, die glauben, die Welt damit zu erklären. Ein grosser Teil politischer Energie wird reduziert auf Kultur-Debatten, denn heutzutage entstammen Linke eher der wohlhabenden städtischen und gebildeten Schicht. Zudem sind linke Menschen diejenigen mit der höchsten moralischen Selbsteinschützung. Soziale Studien zeigen, dass linksorientierte tendenziell am wenigsten tolerant gegenüber andersdenkenden sind. Die Zuteilung von Gut und Böse geschieht bei Linken am stärksten, und oft in atemberaubender Geschwindigkeit: Wer heute noch Verbündeter war, kann morgen der Feind sein, weil er ein falsches Wort benutzt hat. Dumm-links bedeutet, sich für die Avantgarde der Gerechtigkeit zu halten, während man faktisch in einer abgeschlossenen Echokammer lebt. Man verachtet den „Pöbel“ für seine Unwissenheit, ohne zu merken, dass diese Haltung eine Form von Arroganz erzeugt, die jede Brücke zum Dialog abreist.

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Die politische Farbe mag wechseln, die Mechanismen der Dummheit bleiben erstaunlich gleich. Sie nähren sich aus Angst, Selbstgerechtigkeit und der faulen Gewissheit, dass man selbst schon auf der richtigen Seite steht. Dummheit liebt einfache Feindbilder, hasst komplexe Fragen und braucht den Applaus der eigenen Blase. So steht es um uns im Moment nicht allzu gut, denn man kann zweifellos sagen, dass die radikalen Ränder wachsen, nicht so sehr in der Schweiz, aber durchaus im Rest Europas.

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September 2025​​​​​

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