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Die Offene Gesellschaft

Im November 2015 erschütterten uns die Ereignisse der Terror-Nacht in Paris. Es war der gefühlte Beginn einer Welle des Terrors, die Westeuropa heimsuchte. Doch die Bluttaten sind nicht das Ergebnis nachlässiger Sicherheit oder mangelnde Überwachung im öffentlichen Raum. Sie sind das Ergebnis unserer Unfähigkeit, zusammenzuleben und gemeinsam eine Gesellschaft zu bilden.

 

Unser Zusammenleben; das Problem fängt damit an, dass man erst einmal die Kriterien definieren muss, wonach sich Menschen zuordnen wollen. Im Verlauf der Geschichte gab es immer wieder verschiedene Auffassungen davon, wie sich Menschen unterscheiden. Grundlegendste ist die Kultur. Daraus definierte sich im Laufe der Zeit Nationalität. Im neunzehnten Jahrhundert kam mit dem Sozialdarwinismus außerdem noch der seltsame Begriff der Rasse hinzu. Dieser ist jedoch vollkommen inexistent und der weiteren Vertiefung nicht würdig. Diese Begriffe muss man unter dem Gesichtspunkt betrachten, dass Menschen sich mit der Zeit an Einordnungen gewöhnt haben und sich selbst darin definieren.

 

Nation schafft den organisatorischen Rahmen einer Gesellschaft, wobei man in politischem Sinne auch vom Staat sprechen kann. Nationalität ist ein Bewusstsein, das über lange Zeiträume hinweg kulturell entstanden ist. Deshalb ist Nationalität auch heute noch kulturstiftend, wenn auch in unterschiedlichem Masse. In unserem Land leben viele Leute teilweise ganz unterschiedliche Kulturen aus. Solange aber verschiedene Kulturen gemeinsam einen Staat mit einem gesetzlich-rechtlichen Rahmen bilden, kann eine offene Gesellschaft kulturell vielfältig sein und dies sogar zu ihrem Vorteil nutzen. Zudem ist Kultur etwas sehr Diffuses. Nur selten definiert Kultur einen ultimativen Rahmen, in dem nur bestimmte Alltagspraktiken, Wertschätzungen oder Weltanschauungen vorkommen können. Kulturelle Unterschiede bestehen nicht nur aufgrund von nationalen Wurzeln oder Sprachen, sondern auch von unseren politischen Auffassungen, Wertvorstellungen, Lebensstile, Essensgewohnheiten, Engagement in Vereinen und so weiter. All das ist auch Kultur. Wenn wir davon sprechen, dass wir eine Multikulti-Gesellschaft sind, dann bedeutet das, dass ich mich auch kulturell von meinem Nachbarn unterscheiden kann, der auch Schweizer ist aber total andere Vorstellungen hat als ich. Längst haben sich aus einer bürgerlichen Kultur viele kulturelle Splittergruppen entwickelt. In einer Multikulti-Gesellschaft vermischen sich kulturelle Identitäten andauernd und entwickeln sich weiter.

 

Das Schlimmste aber, was einer Gesellschaft widerfahren kann, ist die Aufsplitterung in Gruppen, die beginnen eigene rechtliche Rahmen zu entwickeln. Dies kann geschehen, wenn sich Minderheiten in der nationalen Politik nicht mehr vertreten fühlen. Es geschieht beispielsweise in Deutschland, wo es mittlerweile muslimische Gemeinschaften gibt, die beginnen, ihr eigenes Rechtswesen aufzubauen, unter Ausschluss der nationalen Justiz. Ähnliches gibt es beispielsweise auch in den USA, wo rechtsextreme Bewegungen beginnen, sich para-militärisch aufzustellen, weil der nationale Rechtsrahmen für unnütz gehalten wird. Die Unfähigkeit einer Gesellschaft, offen zu sein und Leute anderer Herkunft und aus anderen Kulturen zu integrieren, schlägt sich fatal nieder. Verschlimmert wird das Ganze noch durch das Narrativ, Multikulti sei gescheitert. Dies gehört heute zum Parolen-Repertoire rechter Politik. Im Zeitalter zunehmender Globalisierung und vermehrter Migration ist die Ablehnung von integrativer Politik die gefährlichste Haltung, die man überhaupt haben kann.

 

Fakt bleibt, dass jeder der sich innerhalb eines Landes befindet, automatisch zu einem Teil der Gesellschaft wird und deshalb in die nationale Politik integriert werden muss. Auch jene, die dem Papier nach, keine Staatsangehörigen sind. Eine Gemeinschaft kann nur fortbestehen, wenn sie inklusiv ist. Die Offene Gesellschaft wie wir sie haben ist die Grundlage für unseren Erfolg.

Dezember 2020

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