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Das Größte Problem der Welt

 

 

 

Diesen Post habe ich neulich auf den Sozialen Medien gesehen. Wie nicht anders zu erwarten, standen darunter die üblichen Klugscheissereien wie Der Kapitalismus, Rassismus und vor allem am öftesten der Kommentar: Der Mensch. Es gibt kaum etwas, das mich so auf die Palme bringt, wie dieser dumme Spruch. Am liebsten würde ich da allen zur Antwort geben, dass sie sich nach der Logik gleich alle selbst erschießen sollten. Dann hätten wir ja einige Probleme weniger. Aber so haben sie es ja gar nicht gemeint. Der Mensch; damit sind ja grundsätzlich die anderen gemeint, nicht man selbst. Die anderen sind das Problem. Klar ist im Grunde der Mensch ein Problem. Er zertsört die Umwelt, er führt Krieg, er beutet die Natur und andere Menschen aus. Natürlich tut der Mensch das alles und es ist nicht bestritten, dass das schlimm ist. Aber was meistens hinter dieser Aussage steht, ist nicht eine aufrichtige demütige Selbsteinschätzung, sondern der Wunsch, sich anonym hinter seiner eigenen Spezies zu verstecken und die indivduelle Verantwortung abzustreifen.


Wir haben einen Hang zum Fatalismus entwickelt und gefallen daran gefunden. Kunst und Kultur spielt meistens mit dem Szenario der Apokalypse. Das meiste, was man in Fiction und Fantasy findet, zeigt ein schreckliches Bild in der Zukunft. Die Kunst predigt die Dystopie, nicht die Utopie. Es ist cool, die Welt untergehen zu lassen. Utopische Bücher oder Filme gibt es kaum. Der Journalismus tut sein Übriges und erzählt fast ausschließlich Geschichten des Scheiterns, was alles scheisse läuft in der Welt und brüstet sich damit, den Finger in die Wunde zu legen. Gute Nachrichten sind keine Nachrichten und sie sind auch keine guten Geschichten. Die einzige Utopie, die in der westlichen Wohlstands-Welt noch existiert ist das, was vom Silicon Valley her propagiert wird; die Vorstellung von technischer Optimierung und dass man  irgendwann seine Geistesdaten auf einen Rechner laden kann und so nach dem Tod fortexistiert oder derlei haarsträubender Unsinn.


Wir leben in Zeiten, wo Pessimismus cool geworden ist. Der Witz dabei ist, dass das nur Heuchelei ist, denn die meisten von uns sind eigentlich im Herzen Optimisten, auch wenn sie es nicht zugeben würden. Unser kapitalistisches Optimierungsdenken hat aus uns allen längst neurotische Optimisten mit der Hoffnung auf das beste Angebot, den besten Deal, die optimale Zeitnutzung, den perfekten Körper und das erfolgreichste Lebensmodell gemacht. Wir haben also einen pseudo-pessimistischen Zeitgeist. Wir sind in Wahrheit keine Pessimisten. Doch sich selbst als Optimisten zu bezeichnen, ist problematisch. Dann gilt man schnell als naiv. Naiv und dumm zu sein ist das uncoolste auf der Welt. Wie ich in einem anderen Essay schon mal geschrieben habe, sind die Leute lieber die Bösen als die Dummen. Man ist cool, wenn man ein pessimistischer Realist ist und mit einem überlegegenen Seufzer und Kopfschütteln die Welt zum Scheitern verurteilt erklärt. Dieser Fatalismus-Fetisch ist besonders stark geworden seit das Thema der Nachhaltigkeit und der Klimaveränderung mehr und mehr  in das öffentliche Bewusstsein getreten. Plötzlich geht es hier nun individuelle Verantwortung. Fährst du Auto? Wie oft fliegst du? Was konsumierst du? Was ist dein ökologischer Fußabdruck? Das sind die unerhörten weil unangenehmen Fragen von heute. Und diese Fragen, die uns den Spiegel vorhalten wollen sind unerhört beklemmend, weil sie uns suggestiv als die Schlechten hinstellen. Und das geht gar nicht! Es ist uns doch sehr wichtig, moralisch auf der richtigen Seite zu stehen.


Was gibt es also einfacheres als die simple Antwort; Nicht ich bin das Problem. Der Mensch ist das Problem. Mit dieser Aussage nimmt man sich selbst vollends aus jeglicher Verantwortung. Der Satz sagt aus, dass es sich im Grunde um ein unlösbares Problem handelt. Die Menschen sind und bleiben nun mal die nicht wandlungsfähigen Menschen. Anstatt dass man sich eingesteht, dass man selber das Problem ist, weil man dreimal im Jahr den Flieger nimmt, ständig im Internet Schrott bestellt, sich null engagiert für soziale Programme, auf der Strasse ständig allen Spendenständen ausweicht, fühlt man sich lieber gut, wenn man sich Luft macht gegen die da oben, die Politiker und die Medien und all jene, die angeblich für alles Schlimme verantwortlich sind und benennt das Problem lieber als Der Mensch. Und wenn man noch besser gelaunt ist, nennt man es den Kapitalismus oder sonst sowas abstraktes.

Was also ist meiner Meinung nach das grösste Problem der Welt? Das ist definitv nicht der Mensch. Der Mensch existiert seit hunderttausenden von Jahren und war die grösste Zeit davon überhaupt kein Problem für den Planeten. Auch Systeme sind überbewertet. Ob Kapitalismus oder Sozialismus, sie alle haben die Natur ausgebeutet und zerstört. Das, was wirklich ausschlaggebend ist, ist Kultur, sind Gewohnheiten, Mentalitäten, Bequemlichkeiten, Opportunismus. Und schlicht und ergreifend auch einfach die Faulheit. Das größte Problem aber ist die Überheblichkeit, das ganze Problem am Ende Den Menschen zu nennen.

Juni 2023

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